Winrich Bonerewitz und Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel stoßen auf die Eröffnung der Ausstellung an, mit der zugleich die Galerie im Ranstädter Rathaus eingeweiht wird. Foto: Müller
06.05.2011 - RANSTADT
„Kleider der Natur“-Ausstellung für sechs Wochen im Ranstädter Rathaus zu sehen - Künstler hat manchmal 15 Werke gleichzeitig in Arbeit
(mü). Blumenbekränzte Pazifik-Schönheiten und der nahezu abstrakte, vor Dynamik und Kraft strotzende Löwe im Ansprung. Der heimische Igel unter prallen, rotbackigen Herbstäpfeln und die hornstarrende Phalanx kanadischer Moschusochsen. Ein eher klassisches Blumenstillleben, bedrohliches Fischgewusel in der Tiefsee neben einem düsteren Perikles-Zitat und ein angedeutetes Porträt unter einem Victory-Zeichen, beide in reizvoll zerfließender Druckertusche. „Kleider der Natur“ nennt der Ranstädter Maler Winrich Bonerewitz seine Ausstellung im Ranstädter Rathaus - mit der jetzt zugleich ein neues Projekt der Wetteraugemeinde Premiere feierte. „Ab sofort ist die Rathausgalerie Ranstadt eröffnet“, freute sich Bürgermeisterin Cäcilia Reichert-Dietzel bei der Vernissage, zu der zahlreiche Kunstinteressierte sowie Weggefährten von Winrich Bonerewitz erschienen waren.
Unter dem Motto „Kunst vor Ort“ will die Gemeinde fortan primär heimischen Künstlern, später aber auch Ausstellern aus der Region die Möglichkeit bieten, ihre Werke für jeweils sechs Wochen der Öffentlichkeit vorzustellen. Anmeldungen sind bei der Gemeindeverwaltung möglich, deren Mitarbeiter in den vergangenen Wochen selbst zu Farbtopf, Pinsel und Leiste gegriffen hatten, um die Ausstellungsflächen im Treppenhaus mit einem neuen Anstrich sowie professionellen Bilderschienen zu versehen. Nunmehr ist Platz genug für Gemälde sowie eine Auswahl bodenständiger Skulpturen - Raum, den Winrich Bonerewitz alsbald nutzte. Stammt doch Idee zur „Rathausgalerie Ranstadt“ von ihm und seinen Freunden aus der Künstlervereinigung „Die Kraniche“.
Das Projekt passe perfekt in die Feierlichkeiten zum 40-jährigen Bestehen der Großgemeinde Ranstadt, betonte Reichert-Dietzel. Zum einen sei es ein weiterer Glanzpunkt in der kulturellen und menschlichen Vielfalt, die Ranstadt zu bieten habe. Zum anderen unterstreiche die spezielle Auswahl der Werke die enge Verbindung des Ortes zu der umgebenden sanften Natur voller harmonischer Übergänge.
Winrich Bonerewitz, geboren 1939 in Alleinstein/Ostpreußen, hat sein Handwerk von der Pike auf gelernt und in Technik und täglichem Gebrauch genauso angewandt wie im Bereich Kreativität und Kunst, dem seit frühester Jugend seine Liebe gehört. Diese Synthese gab dem gelernten Schildermaler und Leuchtreklamehersteller zum einen finanzielle Unabhängigkeit und ermöglichte ihm einen Aufstieg bis zum Geschäftsführer eines Industrieunternehmens der Farbenbranche in Frankfurt. Zum anderen ließ sie ihm die Freiheit, unbeeinflusst von materiellen Zwängen, seinem Studium an der privaten Kunstschule von Karl Rödel in Mannheim, seiner Neugier, Fantasie, Experimentierfreudigkeit und seinem Mut zur Innovation nachzugehen.
All diese Eigenschaften kommen jetzt, in seinen Siebzigern, ungebrochen zu voller Blüte: Der Mann mit dem fotografischen Gedächtnis, der sich zum einen völlig auf ein Motiv, die verwendeten Materialien sowie den Prozess des Malens einlässt, auf der anderen Seite hier und da mit großer Bestimmtheit Axiome der Farbenlehre und der Geometrie anwendet, hat zeitweise 15 Werke gleichzeitig in Arbeit, experimentiert mit Airbrush, Aquarell und Acryl, mit der Technik der Monotypie oder auch einmal mit den von seiner Ehefrau Ellen frisch entsafteten Holunderbeeren. Wenn die Kreativität ihn packt, zählt nur noch sein „visueller Expressionismus“, der die Seelenlage des Vielseitigen, der sich unter anderem auch als Langläufer sowie als Deutscher Meister im Zweier-Kanadier einen Namen machte, nach eigenem Bekunden ebenso ausdrückt wie die Vielfalt seines randvollen Lebens. „Und wenn es an Heiligabend ist - im richtigen Moment muss er malen“, merkt die Gattin mit einem nachsichtigen Lächeln an. Dreimal hat Bonerewitz bereits im Büdinger Kreishaus ausgestellt, die OVAG hat seine Werke ebenso honoriert wie die Musik- und Kunstschule Büdingen, die regelmäßig für die musikalische Umrahmung seiner Vernissagen sorgt.